lemminge
endlich ist es soweit. seit einigen wochen hat nun auch der jüngste den führerschein. aus anfänglich zaghaften bitten um das begehrte fahrzeug ist nun quasi ein dauerzustand geworden, der, von mir aus betrachtet, nicht besonders schön ist.
ich fahre nun bus! schulbus, um es genauer zu sagen. dem anfänglich meinerseitigen naserümpfen über nach morgendlichem pubertätsschweiss und turnschuhen riechenden, vollbesetzten fahrzeugen, mit sich darin befindlichen unausgeschlafenen und montäglich prahlenden jugendlichen, deren angebliche, lauthals kundgegebenen wochenendbeschäftigungen weit über dem zu schaffenden und des möglichen liegen. zumindest meines erachtens! daraus ist nun aber ein echtes abenteuer geworden.
mit einem erstaunen darüber, dass, richtig betrachtet, so ein morgentlicher ritt in diesem fahrzeug weit mehr ist als eine beförderung von A nach B., es ist "SirVival"-sein pur! nur, dass sich in dem nach frühem dauerlauf zur busstation und dem hoffen auf einhalten des fahrplanes dann die tür zu einem gefährt öffnet, welches nicht nur dem namen nach an einen roman eines wunderbaren schriftsteller erinnert. nach genauerer überlegung ist es nicht pubertätsschweiss, der einem umgibt. es ist polytheria, ein wohl gallertartiger plasma-ozean mit unerklärlichen eigenschaften, welcher den bus befüllt. die sich an der stetig wabernden oberfläche bildenden neuen formen der mitfahrenden haben sicherlich nichts mit einer anwesenden, sich sinnvoll ausdrückenden, ausserirdischen intelligenz, sondern vielmehr mit dem fahrstil des ebenfalls mitunter ausserirdisch erscheinenden führers dieser fähre ans (un)gewisse ziel zu tun. ebenso folgt auch das gefährt wohl eigenen physikalischen gesetzen, denn wie anders könnte man das gefühl beschreiben, man reise mit lichtgeschwindigkeit, fast lautlos – und vorbeihuschende strassenschilder und haltestellen kämen einem entgegen, wie bei einem raumflug durchs sternenbesetzte all. auch ist hin und wieder, vor allem bei kurvenfahrten, das wunder der schwerelosigkeit und abgleiten, trotz massenträgheit und gravitation auf andere sitzplätze zu beobachten. auch ist man beim aussteigen aus lem'schen gefährt mitunter der ansicht, auch hier versucht die hinter allem steckende kraft sich der vom ozean geschaffenen gäste hastig zu entledigen. dann setzt sich der überlebenskampf weiter fort, da in unserem städtchen die fusswege von der städtischen exekutive zur exekution der fussgänger an die fahradfahrer freigegeben worden sind. der slalomlauf zwischen dahineilenden normannischen truppen richtung süden in die schule auf ihren bereiften geschossen, die wie bei guten steppenreitern lediglich kraft schenkeldruck gelenkt werden, so dass die hände freibleiben für waffen oder, wie in diesem falle, telekomunikationsgerät, rundet das surviveln geschmackvoll mit rufen wie "eyh,weg da, alte ..." freundlich ab.

also, wer mag – morgen früh an der haltestelle ...




vert am 09.Jun 10
ich bin jahrelang gefahren und ganz zu anfang gab es gar keine busfahrpläne, es wollte ja sowieso niemand sonst mitfahren. wer zur ersten stunde da sein wollte, musste eben um sieben an der straße stehen.
irgendwann gab es zwar fahrpläne, aber trotzdem niemanden, der mitfahren wollte.
ich bewundere ihren mut und ihre beharrlichkeit.

frau braggelmann am 09.Jun 10  |  Permalink
...man nennt es auch
Masochismus !

sid am 09.Jun 10
Toll beschrieben. Kam mir für paar Sekunden wie in der morgentlichen Schnellbahn vor! : )